Weihnachtsgedanken 2011 – Weihnachtslaute

Herr Pinckernelle und ich teilen dieselbe Leidenschaft für Wörter, die beizeiten lustige Züge annehmen mag.  Die Mittel der Sprache, um Ereignisse, Wandlungen und Stimmungen einzufangen, grenzt oft am Unaussprechbaren. Die Lautmalerei scheint dabei das Bemühen zu sein, das Wahrgenommene klanglich zu imitieren. Der knisternden Kamin, der gurgelnde Bach, das Kikeriki oder das Miau – sie alle sind Lautspiel. Sogar der griechische Begriff  für Lautmalerei klingt nahezu lautmalerisch: Onomatopoesie.

Beim Versuch das verstrichene Jahr mit Wörtern festzuhalten, bevor es verschwindet, stolperte ich über das hebräische – und eingedeutschte – Tohuwabohu. Der Blick ins Lexikon verrät, dass dieser Begriff im Schöpfungsbericht auftritt und von Luther übersetzt wird als: „…und die Welt war wüst und leer.“ Mir will das Wort wie ein lautmalerisches „Drunter und Drüber“ klingen, wie ein Irrsal und Wirrsal vieler Stimmen kreuz und quer – To-huuuu-waaa-bo-huuu. So präsentierte sich das Jahr 2011: Proteste gegen Wirtschaftssystem und Bankengier; Kampfschrei im arabischen Frühling, Indignationsrufe in Spanien und Allerwelt gegen Schulden, Krise und Zukunftsarmut;  ein Heulen im heillosen Hellas;  mittendrin der groteske Seattle-Schlampenmarsch und das künftige weltweite Katastrophensynonym: Fukushima. Und im Buchhandel findet sich eine Neuerscheinung mit dem Schlachtruftitel „Empört euch!“. Ein Stimmengewirr raunte durch dieses Jahr, ebenso schrill wie richtungslos. Und ich probiere, es kindlich naiv mit Lauten nachzuzeichnen: Tohuwabohu.

Hier endet das Silbenspiel. Es ist ruhig geworden. Vom Bürofenster sehe ich die Speicherstadt in der Winterdämmerung versinken. Es ist die Zeit des Jahres, da Menschen mit Kerzenlichtern stumm durch die Gassen ziehen, als besäße das Lautlose eine eigene Stimme und ein Mysterium, über das wir nicht reden, bloß schweigen können. Wir schließen nun unser Kontor und treten hinaus in die Stille. Nacht.

Besinnliche Weihnachten.

Günther Bially