Ein Weihnachtsgruß 2008… Mehrwert

Die letzte Arbeitsstunde des Jahres ist angebrochen. Stift und Akten sind sortiert, die Kollegen fort und das Licht fast erloschen. Ich lehne mich zurück und lasse mich gedanklich gleiten in kreisende Reflexionen und Meditationen das verstrichene Jahr betreffend: Ein geballtes Jahr geprägt vom globalen Auf- und Niedergang und wir mittendrin in Euphorie und Existenzangst. Jeglicher Versuch diesem Katarakt an Ereignissen mit wenigen Sätzen oder gar Schlagworten erklärend beizukommen scheint viel zu dürftig. Dennoch schwebt mir in dieser stillen Stunde ein Ausspruch vor, der sich schleierartig über das verrannte Jahr legt – Mehrwert.

Nur selten tut sich unser aller – sonst so un(er)scheinbare – Verflechtung der Werte kund wie in diesem Jahr. Der Wert entmaterialisiert manifestiert sich durch seine Abwesenheit.

In schweigender Schau mag sich einem die Abhängigkeit von Werten auftun, die durch wildes Kommen und Gehen   besonders von sich Reden machten. Wie sind wir doch alle wertvoll – das meint: der Werte voll! Ein Kosmos voller Werte, hervorgegangen vom Menschen selbst als Maß aller Dinge, wertend und von nichts bewertet, stehen wir nun unseren eigenen Werten gegenüber, die sich wie scheinbar von uns losgesagt auf uns niederstürzen. Myriaden von Ist- und Schein-Werten, unzählbar ihre Formen und Kräfte. Wir mussten uns wundern über Wertzuwächse, Werteblasen, Wertverfall, Wertlosigkeiten – ein wahres All der Wertefülle und –leere. Der Wert als Profit-Göttin und Kollaps-Gespenst. Milliardenschuld und Vertrauensverlust. Bürgschaft und Leitzinssenkung als Buhlen um den Vertrauenswert. In diesem tobenden Meer der Werte stehen wir verflochten und bedrohlich gezogen und gezerrt von Wertabwanderung und Wert-Nichtung.

Und nun ist die letzte Stunde fast verronnen. Noch immer bin ich voller Staunen. Eines Tages werden wir unseren Kindern und Enkeln berichten, dass wir an dieser Zeit der entfesselten Werte teilhatten. Ehrlich gesprochen: Es wird dem Betrachter ein wahrlich fesselndes Spektakel geboten – wenn doch Werte nur nicht so bedrohlich schwinden könnten.

Über all das werfe ich – bevor ich gehe – mein kleines Wortspiel.

In ein paar Tagen gehen wir nach Hause ins selbst geschaffene werte Heime; dort, wo wir sind und werden –  bald uns selbst bald dem Anderen – Wert und Mehr-Wert.


Günther Bially