Im winterlichen Dämmerlicht werden letzte Briefe versendet und Akten geschlossen. Unter den vielen Weihnachts-Grußkarten finden sich Verse von Goethe und Schiller in stolzen Reimen. Untypisch für diesen Moment fallen mir Schleiermachers Worte über die Zeit ein, die behaupten, der Menschen vermöge mittels der Reflexion aus dem Zeitablauf herauszutreten, und das immer dann, wenn er sich nur dazu entschlösse. Das Jahresende scheint ein geeigneter Punkt, um auf den vergangenen Zeitenstrahl zu blicken: ein Austritt aus dem Lauf der Dinge ganz im Geiste von Weihnachten.
Herr Pinckernelle huscht vorbei im gedämpften Licht, das letzte Fax zu verschicken, und ruft mir den Komik behafteten, innerbetrieblichen Ausspruch zu, dass er nur noch als Mensch anwesend sei. Paraphrasiert: Sein Dienst ist für heute getan. Zurückblickend tut sich der Ereignisreichtum des allmählich verblassenden Jahres auf: Deckungsnot und Prämiendruck umgarnt vom globalen Rennen und großen Zahlenmaß, Service-Kult und Leistungs-Welt, darin der Mensch als Maß aller Dinge – einst ungemessen nun doch bemessen.
Aus der Komik der Worte nur noch Mensch zu sein, tritt ein weiteres Maß empor, dass ich behutsam an das alte Jahr anlege: Mensch geblieben zu sein! Nicht nur Zahlen und Zählbares geleistet zu haben, sondern Vertrauen und Vertrauenswürdiges, Kaufmannswort gehalten zu haben, und etwas länger beim Menschen am anderen Ende der Leitung verweilt zu haben, nicht nur freundlich, sondern freundschaftlich. Diese 150 Jahre Firmentradition sind Würde und Verantwortung unserer Werte. Ich meine, wenn uns unter allem Druck und im vielen Rennen der Kunde noch als Mensch vor Augen steht, dann sind auch wir Mensch geblieben. In ein paar Tagen – im Kerzenschein versammelt – sind wir alle nur noch als Menschen da.
Lampenschein und Computersurren, Papiergeräusch und Telefonklingeln. Ein Lächeln bevor sich die Tür schließt. Wir sind noch da als Mensch – jetzt und auch im nächsten Jahr.
Günther Bially